In einem Artikel, der neuesten Ausgabe des Handelsblatt, beschreibt Autorin Anne Kunz erstaunliches zum Thema Online Marketing.
Wer nicht wirbt, stirbt”, war Automobil-Pionier Henry Ford vor 100 Jahren überzeugt. Allerdings wusste der Mann auch: Ob und wie Reklame funktioniert, ist eine offene Frage. “Fünfzig Prozent bei der Werbung sind immer rausgeworfenes Geld”, soll Ford gesagt haben. “Ich weiß aber leider nicht, welche Hälfte das ist.”
Wirkt Werbung, und wie viel Geld sollte ein Unternehmen dafür ausgeben? Bis heute brennt diese Frage Managern und Betriebswirten gleichermaßen unter den Nägeln. Nach vielen missglückten Versuchen liefern zwei US-Wissenschaftler jetzt erstmals eine überzeugende Antwort.
In der Vergangenheit hatten Forscher erhebliche Probleme damit, die Wirkung einer Werbekampagne sauber zu erfassen – zu viele Faktoren wirken gleichzeitig, als dass sich die Effekte isolieren lassen. “Viele Ergebnisse beruhen bisher auf jahrzehntelanger Erfahrung und Bauchgefühl, statt auf systematischer Forschung”, sagt Jesko Perrey von der Unternehmensberatung McKinsey.
Yahoo-Nutzer als Versuchsobjekte.
Um die Wirkung einer Kampagne seriös zu messen, müssten Forscher im Idealfall das Konsumverhalten von zwei Gruppen vergleichen: Menschen, die die Anzeigen gesehen haben, und solchen, die die Reklame nicht kennen.
Genau dieses Kunststück ist Randall Lewis und David Reiley gelungen – dank des Internets und der riesigen Datenmengen, die moderne Einzelhändler heute über ihre Kunden sammeln. Die Forscher machten ein einzigartiges Online-Experiment mit mehr als einer Million Teilnehmer. Beide Ökonomen sind im Forscherstab des US-Internet-Portals Yahoo tätig, Reiley arbeitet zudem am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston.
Die Arbeit mit dem Titel “Does Retail Advertising Work?” liefert ganz neue Einblicke, wie Werbung wirklich funktioniert. Das Fazit der Forscher dürfte ihrem Arbeitgeber Yahoo, der sein Geld mit Online-Werbung verdient, gefallen. Denn Henry Ford hat die positiven Effekte von Reklame offenbar unterschätzt. “Die Effekte auf den Umsatz sind positiv, nennenswert und dauerhaft”, fassen Lewis und Reiley ihre Ergebnisse zusammen.
Die Arbeit macht zudem deutlich, welche ungeahnten Möglichkeiten sich für Wirtschaftswissenschaftler durch das Internet ergeben – es macht Experimente mit Hunderttausenden von Teilnehmern möglich, die ansonsten unbezahlbar wären.
So nahmen an dem Feldversuch von Lewis und Reiley im Laufe von zwei Monaten rund 1,6 Millionen Menschen teil – ohne es zu wissen. Die Wissenschaftler arbeiteten mit einer großen US-Einzelhandelskette zusammen, die überall in den USA mit Filialen präsent ist und ihre Produkte auch online vertreibt. Namen oder Branche des Unternehmens verraten die Forscher allerdings nicht.
Der Einzelhändler stellte ihnen sämtliche Informationen zur Verfügung, die er über seine Kunden gesammelt hatte. Die Forscher hatten zudem Zugriff auf die Nutzerdaten von Yahoo und glichen beide Datenbanken ab. 1,6 Millionen Personen konnten sie eindeutig identifizieren – sie hatten sowohl ein Account bei Yahoo als auch eine Kundenkarte des Einzelhändlers.
All diese Menschen nahmen zwei Monate lang an dem Experiment der Wissenschaftler teil. Achtzig Prozent von ihnen bekamen immer wieder, wenn sie auf der Internetseite von Yahoo unterwegs waren, Anzeigen des Einzelhändlers angezeigt. Bei den restlichen 20 Prozent erschienen andere Anzeigen – sie dienten als Kontrollgruppe. Weil der Einzelhändler alle 1,6 Millionen Probanden kannte, ließ sich genau nachvollziehen, welcher Kunde wann bei ihm eingekauft hat und wie viel Geld er ausgab.
Die Ergebnisse sind beachtlich: Yahoo-Nutzer, denen die Anzeigen des Händlers angezeigt wurden, kauften spürbar häufiger bei dem Unternehmen ein – und sie griffen pro Einkauf auch deutlich tiefer in die Tasche als die Kontrollgruppe. Im Durchschnitt gaben sie fünf Prozent mehr aus.
Das Geld, das der Einzelhändler für die Werbung ausgab, erwies sich als gut angelegt: Schon nach vier Wochen war der Umsatzanstieg, den das Unternehmen dank der Werbung machte, dreimal so hoch wie die Kosten dafür. Insgesamt erzielte die Firma für jeden Dollar, den es für die Online-Werbung ausgab, sieben Doller zusätzlichen Umsatz.
Erstaunlich ist: Ob die Nutzer im Internet auf die Reklame-Banner klickten oder nicht, spielte für die Wirkung der Anzeigen so gut wie keine Rolle. Nur rund 22 Prozent der Umsatzsteigerung entstand durch Kunden, die die Online-Banner angeklickt hatten – der große Rest entfiel auf Nutzer, die im Internet nicht weiter auf die Anzeigen reagiert hatten. Zudem wirkt Online-Werbung offenbar weit über das Internet hinaus: Nur sieben Prozent der positiven Werbewirkungen entfiel auf das Online-Geschäft des Händlers, der ganz große Rest der zusätzlichen Umsätze fiel in den Filialen an.
Und offenbar beeinflusst die Banner-Werbung das Einkaufsverhalten der Menschen nicht nur kurzfristig: Wer die Werbung auf der Yahoo-Seite gesehen hatte, war noch vier Wochen nach dem Ende der Kampagne ein besserer Kunde.
Doch viel hilft nicht immer viel: “Manche Unternehmen übertreiben es mit der Werbung”, sagt Perrey von McKinsey. Einige bekämen für jeden reingesteckten Euro nur zehn Cent raus. Das ist rausgeschmissenes Geld.